Indische Zementgewerkschaft erkämpft Vergleich mit LafargeHolcim
«Oftmals ist ‹sprechen› schwieriger als ‹kämpfen›. Aber die LeiharbeiterInnen von Chhattisgarh haben auch das gemacht ... und jetzt einen bemerkenswerten Vergleich unterzeichnet.»
25 Jahre lang kämpften die Leiharbeiter bei der Holcim-Tochter ACC in Jamul für ihre Festanstellung. Die Arbeiter verfügten, obwohl sie zum Teil seit Jahrzehnten bei ACC-Holcim arbeiteten, nur über Leiharbeitsverträge, erhielten weniger als ein Drittel des Lohns von Festangestellten und hatten keinen Zugang zu Sozialleistungen. Das widerspricht der indischen Gesetzgebung, wonach Leiharbeiter, welche die gleiche Arbeit ausführen wie Festangestellte, nicht weniger verdienen oder zu schlechteren Bedingungen angestellt sein dürfen. Für seine Auslagerungspraxis ist ACC-Holcim von zwei Gerichtsinstanzen verurteilt worden: Die Verträge mit den Arbeitsvermittlern seien Scheinverträge, und ACC-Holcim müsse, so das Arbeitsgericht 2006 und das Oberste Gericht des Bundesstaats Chhattisgarh 2011, den Arbeitern reguläre Arbeitsverträge geben und ihnen den gleichen Lohn wie Festangestellten bezahlen. ACC-Holcim weigerte sich jedoch, den Entscheid des Obersten Gerichts umzusetzen und hatte das Urteil angefochten.
Ausserdem begann Holcim mit dem Bau einer neuen hochtechnologisierten Zementfabrik. Die Zementarbeiter mussten um den Verlust ihrer Arbeitsplätze fürchten.
2012 reicht PCSS zuammen mit der internationalen Gewerkschaft IndustriAll beim Staatsekretariat für Wirtschaft seco Klage gegen Holcim wegen Verletzung der OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen ein. Die Gewerkschaft UNIA und der SOLIFONDS solidarisierten sich mit der Klage und unterstützten in diesem Zusammenhang die PCSS. Nach zwei Verhandlungsrunden in Bern wurden die Gespräche ab 2014 in Indien weitergeführt und vor drei Wochen, am 22. Januar 2016 mit einem Vergleich abgeschlossen.
Das Abkommen sieht vor, dass 536 der 932 Leiharbeiter im alten oder neuen ACC-Zementwerk festangestellt werden und dass ihre Löhne stufenweise den viermal höheren, branchenüblichen Löhnen angepasst werden. Jene Arbeiter, die nicht weiterbeschäftigt werden, erhalten Abgangsentschädigungen, die je nach Alter und Arbeitsdauer zwischen 300 Franken und 6‘500 Franken variieren. Diese Arbeiter können ausserdem ein Familienmitglied bezeichnen, das von der Zementfabrik eine Ausbildung im Sektor und Unterstützung bei der Arbeitssuche erhält.
Für PCSS war es nicht einfach, diesem Vergleich zuzustimmen, der mit Arbeitsplatzverlusten verbunden ist. Intensive Abklärungen und lange Diskussionen unter den Beteiligten haben aber ergeben, dass vermutlich keine bessere Lösung zustande gekommen wäre, wäre der juristische Weg weiterverfolgt worden. Und so unterzeichnete die PCSS am 22. Januar 2016 im Namen der ACC-Jamul Leiharbeiter dieses in vieler Hinsicht bemerkenswerte Abkommen. Es bringt einer grossen Zahl von Leiharbeitern Verbesserungen, aber grundlegende Probleme der Leiharbeit, der industriellen Entwicklung, der Vertreibung der ländlichen Bevölkerung oder der Kriminalisierung und Repression von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen bleiben bestehen.